Was ist das?

SSC ist eine seltene Gallenwegserkrankung. Für dieses Krankheitsbild gibt es in der medizinischen Literatur verschiedene Begriffe wie „sekundär sklerosierende Cholangitis“ (SSC), „sklerosierende Cholangitis bei kritisch erkrankten Personen“ (SC-CIP: sclerosing cholangitis of the critically ill) oder „Intensiv-Cholangiopathie“.

Die Gallenwege in der Leber sind hierbei schwer geschädigt und entzündet. Zudem vermehrt sich das Bindegewebe um die Gallengänge, welches die Gallengänge zunehmend abschnürt. Auch im Inneren der Gallengänge können sich verhärtete Konkremente ansammeln, die meist aus abgestorbener Gallengangsschleimhaut bestehen. Dies führt zu einer fortschreitenden Zerstörung der Gallengänge. Die Galle kann nicht mehr richtig abfließen und staut sich. Die Entzündungen und Schädigungen greifen dadurch auf die gesamte Leber über, welche hierdurch häufig vernarbt und bis hin zur Zirrhose geschädigt wird.

Die sekundär sklerosierende Cholangitis entsteht als Folge bzw. Komplikation von anderen Erkrankungen, also an zweiter Stelle (sekundär). Sie unterscheidet sich darin von anderen Erkrankungen, die zuerst (primär) aus den Gallengangszellen entstehen, wie die primär sklerosierende Cholangitis.

Auslöser der SSC können vielfältig sein. Hierzu gehören Infektionen, autoimmune Erkrankungen, Unfall- oder schwere Brandverletzungen, große (herzchirurgische) Operationen mit Kreislaufbelastung, Kontakt mit toxischen Stoffen, Komplikationen bei ärztlichen Eingriffen oder durch Blockaden z.B. durch Gallensteine, Pankreatitis und andere Ursachen.

Ein neues Phänomen sind SSC-Erkrankungen, die bei schwerkranken COVID-19-Patienten auf Intensivstation auftreten. Etwa einer von 43 beatmeten COVID-19-Patienten entwickelt eine SSC (2,3%). Dies ist viel häufiger – ca. 46-mal – als bei anderen Ursachen des Lungenversagens. Ob das SARS-CoV-2-Virus hier direkt oder eher indirekt verantwortlich ist, wird weiter untersucht. Möglicherweise gehen diese SSC-Erkrankungen eher auf Sauerstoffmangel durch Lungenversagen oder Folgen der Intensivbehandlung zurück, wie z.B. Bauchlage, künstliche Beatmung, starke Kreislauf-unterstützende Medikamente oder das Anästhetikum Ketamin.

Mögliche Ursachen der SSC

Chronische Verschlusserkrankungen (obstruktive Erkrankungen)

  • Steine in der Gallenblase
  • Cholangiokarzinom, andere gutartige und bösartige Tumore
  • Gallenwegserkrankung durch Pfortaderhochdruck (Portal hypertensive Biliopathie)
  • Chirurgische Verletzungen (z.B. bei Entfernung der Gallenblase)
  • Narbige Verschlüsse (Anastomosen) nach chirurgischen Eingriffen, z.B. nach Lebertransplantation oder, Hepatikojejunostomie
  • Chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)

Immun-bedingt

  • IgG4-assoziierte Cholangitis
  • Hepatische Sarkoidose
  • Eosinophile Cholangitis
  • Histiozytose X
  • Durch Mastzellen bedingte Gallenwegserkrankung (Mastzellen-Cholangiopathie)
  • Abstoßungsreaktion gegen transplantierte Leber

Infektiös

  • Wiederholte eitrige Gallenwegsentzündungen (rekurrierende pyogene Cholangitis)
  • Chronische Parasiten-Infektion der Gallenwege (Leberegel, Spulwürmer/Ascaris)
  • Infektionen mit Einzellern (Kryptosporiden, Mikrosporiden)
  • Cytomegalievirus
  • AIDS-bedingte Gallenwegserkrankung
  • Nach COVID-19-bedingtem Lungenversagen

Durchblutungsstörungen (Ischämisch)

  • Nicht-anastomotische Verengungen (Strikturen) nach Lebertransplantation
  • Thrombose der Leberarterie, z.B. nach Lebertransplantation
  • Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
  • Sklerosierende Cholangitis bei Patienten im kritischen Zustand, z.B. COVID-19-bedingte Gallenwegserkrankung
  • Systemische Vaskulitis (Gefäßentzündung)
  • Gallenwegserkrankung durch erbliche zystische Fibrose
  • ABCB4-Mangel (ein genetischer Defekt)
  • Trauma (Unfälle, schwere Verbrennungen)
  • Kreislaufschock (z.B. während großer herzchirurgischer Operationen)

Toxisch:

  • Ketamin (Anästhetikum)

Wie spürt man SSC?

SSC kann zunächst ohne eigene Symptome auftreten. Wenn Betroffene schon an anderen schweren Krankheiten leiden, stehen Beschwerden dieser Erkrankungen oft zunächst im Vordergrund. Die SSC als zusätzliche Komplikation bleibt dann oft zunächst unbemerkt. Ein frühes Zeichen in dieser Phase können veränderte Laborwerte sein (siehe unten).

Später können auch durch die SSC ausgeprägte Symptome auftreten. Hierzu gehören Bauchschmerzen, Gelbsucht (gelbe Augen/Haut durch erhöhtes Bilirubin), Juckreiz und Fieber. Die Gallenwege können sich zusätzlich bakteriell entzünden, was eine Antibiotika-Behandlung erforderlich macht. Im fortgeschrittenen Stadium können Zirrhose-typische Komplikationen auftreten, wie z.B. Wasserbauch, Bewusstseinstrübungen oder Bluterbrechen.

Diagnose

Es gibt keine Laborwerte, welche allein eine SSC beweisen könnten. Häufig sind die Leberwerte Gamma-GT und die alkalische Phosphatase stark erhöht und können um ein Vielfaches ansteigen. Diese erhöhten Leberwerte steigen insbesondere bei Schädigungen der Gallengangszellen an. Sie sind daher oft der erste Anlass, dass an eine cholestatische Leberkrankheit gedacht wird. Im weiteren Verlauf steigen auch noch oft Bilirubin und Gallensäuren im Serum an. Wenn zusätzlich eine bakterielle Infektion vorliegt, so sind auch Entzündungswerte erhöht (wie z.B. C-reaktives Protein, Leukozyten oder Procalcitonin).

Es werden bei Verdacht oft zunächst verschiedene bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Computertomographie (CT), Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie) durchgeführt. In der Bildgebung sieht man bei beiden Erkrankungen eine oft fortschreitende Abschnürung und Zerstörung der Gallengänge in der Leber. Bei Bedarf kann anschließend auch eine ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie) erfolgen. Die ERCP ist invasiv und kann in einigen Fällen mit Komplikationen wie z.B. Verletzungen bzw. Infektionen einhergehen, erlaubt aber auch, verengte Gallenwege aufzudehnen oder Gewebeproben zu entnehmen. Während der ERCP kann auch abgestorbenes Gewebe (Casts) entfernt werden, welches die Gallenwege verengt. Hierdurch lassen sich sowohl der Galleabfluss als auch mögliche Infektionen verbessern.

Die sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC) wird vor allem von der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) unterschieden. Beide Erkrankungen führen zu ähnlichen entzündlichen Zerstörungen der Gallenwege, wobei die SSC oft aggressiver verläuft. Wenn schon vorher Faktoren bekannt sind, die eine SSC begünstigen (z.B. Brandverletzungen, medizinische Eingriffe, schwere Infektionen, Kontakt mit Toxinen etc.), geht man in der Regel davon aus, dass es sich dann um eine sekundär sklerosierende Cholangitis handelt. Bei PSC liegen häufig noch entzündliche Darmerkrankungen vor, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. In manchen Fällen erfordert die korrekte Diagnosestellung neben der MRCP / ERCP auch noch eine Leberbiopsie.

Wie ist der Verlauf?

Es gibt einzelne Fälle, in denen eine SSC spontan zum Stillstand kommt, wobei zerstörte Gallengänge meist nicht wieder neu gebildet werden.

In vielen Fällen verläuft die SSC schwer und deutlich schneller als die PSC. Gallengänge werden fortlaufend zerstört, und die Leber vernarbt, bis eine Zirrhose mit Komplikationen entsteht. Im Mittel führt eine fortschreitende SSC schon innerhalb von 13 bis 16 Monaten zum Leberversagen oder einer Lebertransplantation.

Eine Sonderform ist die SSC-CIP. Diese kann bei Patienten auftreten, die im kritischen Zustand auf Intensivstation liegen (z.B. Unfälle, schwere Verbrennungen, schwere COVID-19-Verläufe). Diese Form der SSC kann rasant voranschreiten und innerhalb von Wochen bis Monaten zur Zirrhose und Leberversagen führen. Etwa die Hälfte der Intensivpatienten verstirbt noch während des Klinikaufenthaltes.

Wie lässt sich SSC behandeln?

Die Behandlungsmöglichkeiten sind bei SSC individuell unterschiedlich. SSC betrifft meist Menschen, die aus anderen Gründen schon vorher schwer krank sind. Daher spielen diese Begleiterkrankungen und der Allgemeinzustand eine entscheidende Rolle, welche Therapiemaßnahmen ratsam und wirksam sind.

Es gibt kein zugelassenes Medikament für SSC. Mitunter wird Ursodeoxycholsäure (UDCA) als Off-Label-Therapie auch bei SSC eingesetzt. Das Medikament ist nicht nur bei SSC, sondern auch bei verschiedenen seltenen Lebererkrankungen eine Option, wenn noch keine ursächliche Therapie existiert. Ursodeoxycholsäure kann erhöhte Leberwerte senken. Möglicherweise kann UDCA auch den Gallefluss verbessern und das Risiko für die Neubildung von Gallensteinen senken, welche ebenfalls zu Blockaden der Gallengänge führen können. Ein Einfluss auf den Krankheitsverlauf der SSC ist jedoch nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen.

Die Betreuung der Patienten bedeutet in erster Linie, Komplikationen frühzeitig zu behandeln. Wenn eine bakterielle Entzündung der Gallenwege entsteht, wird diese mit Antibiotika behandelt. Wenn Gallengänge durch Stenosen verengt sind, werden diese endoskopisch aufgedehnt. Dies kann Juckreiz lindern, mitunter sind für die Behandlung dieses Symptoms weitere Medikamente notwendig.

Häufig schreitet die SSC trotz Behandlung der Komplikationen voran. Einige Betroffene sind aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustandes und Begleiterkrankungen nicht für eine Lebertransplantation geeignet. Das Überleben ohne Transplantation beträgt oft nur 13 bis 16 Monate, oft auch aufgrund der schweren Begleiterkrankungen. Wenn eine Lebertransplantation möglich ist, ist diese jedoch meist lebensrettend und kann dann auch die SSC heilen.

Wie häufig ist SSC?

SSC ist selten und betrifft etwa einen von 2.000 Menschen auf Intensivstation. Häufiger wurde die SSC nach schweren COVID-19-Erkrankungen mit Lungenversagen beobachtet.

Köln | 09/2023 | Ingo van Thiel |Redaktion Leberhilfe
Beratung: Prof. Dr. med. Frank Tacke, Charité Universitätsmedizin Berlin

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