Was ist das?
Primär biliäre Cholangitis (PBC) ist eine seltene autoimmune Leberkrankheit, die in 90% der Fälle Frauen betrifft. Zunächst werden die Gallengänge in der Leber angegriffen und durch eine Entzündung zerstört. Langfristig greift die Entzündung auf das gesamte Lebergewebe über und kann im Endstadium zur Zirrhose führen.
Bis zum Jahr 2014/15 wurde noch der Name „primär biliäre Zirrhose“ verwendet, welcher jedoch irreführend und oft unzutreffend war: Die Mehrzahl der PBC-Patientinnen und -Patienten hat bei Erstdiagnose noch keine Zirrhose, und zwei Drittel der PBC-Betroffenen können dank besserer Therapien alt werden, ohne zu Lebzeiten überhaupt eine Zirrhose zu entwickeln. Das Zirrhose-Wort führte bei der Erstdiagnose früher oft zur Verunsicherung.
Im Frühjahr 2014 startete die Deutsche Leberhilfe e.V. gemeinsam mit der britischen PBC Foundation UK eine Initiative, den PBC-Namen anzupassen. Ende 2014 und im Frühjahr 2015 haben internationale Fachverbände beschlossen, dieser Initiative zu entsprechen: Inzwischen wird die Erkrankung unter dem neuen Namen „Primär biliäre Cholangitis (PBC)“ geführt.
Wie ist die Lebenserwartung?
PBC verläuft von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Einige Patientinnen und Patienten mit mildem Verlauf haben noch Jahrzehnte nach ihrer Erstdiagnose kaum Veränderungen in der Leber. Bei anderen PBC-Betroffenen schreitet die Erkrankung schneller im Laufe einiger Jahre voran.
Falls Sie von PBC betroffen sind und in anderen Quellen Angaben lesen wie „Die Lebenserwartung bei PBC beträgt X Jahre“, können Sie dies ignorieren. Solche Einschätzungen sind – erfreulicherweise – unzutreffend und nicht mehr zeitgemäß: Sie stammen noch aus Zeiten vor den 1980er-Jahren, als es noch keine PBC-Therapie gab und die Erkrankung oft erst im Spätstadium entdeckt wurde.
Zwei von drei PBC-Patienten entwickeln nach heutigem Wissen zu Lebzeiten keine Zirrhose mehr, sodass es durchaus möglich ist, mit PBC Jahrzehntelang zu leben und alt zu werden. Durch eine medikamentöse Therapie lässt sich der Verlauf der PBC günstig beeinflussen (s.u.).
Was sind die Symptome?
Die häufigsten PBC-Symptome sind Müdigkeit, Juckreiz und Gelenkschmerzen.
Gegen PBC-bedingte Müdigkeit gibt es noch keine gezielte Therapie, sondern nur indirekte Ansätze: Hierzu gehören z.B. Entspannungsübungen, sportliche Aktivität und Schlafhygiene sowie die Suche nach Störfaktoren, welche die Müdigkeit verstärken können (z.B. Flüssigkeits- oder Vitaminmangel, Schlafstörungen, Arzneimittelnebenwirkungen oder eine sogenannte autonome Dysfunktion).
Gegen Juckreiz können verschiedene Medikamente versuchsweise angewandt werden, wie z.B. Cholestyramin, Rifampicin oder die Opioid-Antagonisten Naltrexon/Nalmefen; die Wirksamkeit ist individuell unterschiedlich und Nebenwirkungen müssen beachtet werden.
Auch Osteoporose wird bei PBC etwas öfter beobachtet als in der Allgemeinbevölkerung. Über trockene Schleimhäute der Augen, Mund und Intimbereich sowie unruhige Beine beim Liegen (Restless Legs) wird ebenfalls häufiger berichtet. Im Spätstadium der Zirrhose können typische Zirrhosekomplikationen auftreten.
Wie kann man eine PBC diagnostizieren?
Bei PBC sind meist die antimitochondrialen Antikörper (AMA) im Blut erhöht. Dieses ist der stärkste Hinweis auf diese Erkrankung. Oft ist auch der Laborwert alkalische Phosphatase (AP) deutlich erhöht. Kommen diese beiden Auffälligkeiten zusammen (erhöhte AMA + erhöhte AP), gehen Ärzte bereits mit sehr hoher Sicherheit von einer PBC-Diagnose aus.
Weitere Leberwerte wie z.B. Gamma-GT, Bilirubin, GOT und GPT können ebenfalls erhöht sein. Sie sind für die Erstdiagnose nicht ausschlaggebend, aber hilfreich für die Überwachung des Langzeitverlaufs.
Eine Leberpunktion ist meist nicht zur Diagnose nötig, aber kann in weniger eindeutigen Fällen bei der Klärung helfen: Bei einer Gewebeuntersuchung lassen sich oft PBC-typische Schädigungen unter dem Mikroskop erkennen.
Was sind die Ursachen der PBC?
Das eigene Immunsystem greift zunächst die Gallengänge und dann die gesamte Leber an. Warum es dazu kommt, ist unbekannt. Eine verbreitete Theorie ist, dass manche Menschen eine genetische Veranlagung für PBC haben. Kommt dann noch ein – oft zufälliger – Auslöser hinzu wie Giftstoffe oder Infektionen, könnte dies die PBC erstmals zum Ausbruch bringen.
PBC wird nicht durch Alkohol verursacht. Alkohol sollte aber wie bei jeder chronischen Lebererkrankung auch bei PBC gemieden werden, da dieser das Organ zusätzlich belastet. Es gibt auch Hinweise, dass Rauchen den Verlauf der PBC beschleunigen kann.
Wie wird PBC behandelt?
Es gibt mehrere PBC-Medikamente, welche das Ziel haben, Laborwerte zu verbessern und den Verlauf der Lebererkrankung abzumildern. Die Wirksamkeit der Therapie wird hauptsächlich an zwei Laborwerten gemessen: der alkalischen Phosphatase und dem Bilirubin. Die alkalische Phosphatase ist bei PBC oft deutlich erhöht und soll durch die Therapie verbessert oder – im Idealfall – sogar normalisiert werden. Das Bilirubin soll normal bleiben oder, falls es bereits erhöht ist, sich normalisieren. Langzeitbeobachtungen mit der Standardtherapie (Ursodeoxycholsäure, siehe unten) zeigen, dass der Verlauf der Lebererkrankung in der Regel viel milder ist, wenn diese Laborwerte sich verbessern oder sogar normalisieren. Dieser positive Effekt auf den Krankheitsverlauf wird auch erwartet, wenn mehrere Medikamente nötig sind, um die Laborwerte zu verbessern; es sind allerdings noch mehr Studiendaten nötig, um diese Langzeitvorteile auch für die anderen Medikamente zu bestätigen.
Die heutige Standardtherapie besteht in Ursodeoxycholsäure (UDCA), welche als Tablette lebenslang eingenommen wird. Im Frühstadium kann dies die Krankheit verlangsamen oder zum Stillstand bringen, im Spätstadium ist der Nutzen von UDCA nicht eindeutig geklärt. Wenn UDCA allein nicht wirkt (also die o.g. Leberwerte nicht genug verbessert), sollte fachärztlich geklärt werden, wie sich ein Ansprechen erreichen lässt. Es ist zu überprüfen, ob das Medikament ausreichend dosiert ist oder ob es ggf. Schwierigkeiten mit der regelmäßigen Einnahme gibt. Wenn das Medikament in richtiger Dosis eingenommen wird und trotzdem nicht wirkt, sollte ärzlich besprochen werden, ob eine Zweitlinientherapie sinnvoll ist; häufig kommt dann ein weiteres Medikament zu Ursodeoxycholsäure hinzu (es sei denn, diese wurde nicht vertragen). Hierfür stehen derzeit PPAR-Agonisten zur Verfügung. Früher wurden z.T. auch immunsuppressive Medikamente eingesetzt, diese scheinen bei alleiniger PBC aber keinen zusätzlichen Nutzen zu bringen. Sinnvoll scheinen Immunsuppressiva nur zu sein, wenn neben der PBC gleichzeitig noch eine autoimmun Hepatitis vorliegt (sogenanntes Overlapsyndrom).
Obeticholsäure (OCA) ist derzeit nicht mehr in der EU verfügbar. Das Medikament ist ein FXR-Agonist, der 2016 als Zweitlinientherapie für PBC zugelassen wurde. Mögliche Nebenwirkungen umfassen Juckreiz und erhöhtes Cholesterin, bei fortgeschrittener Zirrhose ist das Medikament wegen lebertoxischer Nebenwirkungen seit 2022 kontraindiziert. Am 27. November 2024 widerrief die Europäische Kommission die Marktzulassung von Obeticholsäure in der EU. Anlass für die Marktrücknahme war eine erfolglose Langzeitstudie (COBALT), deren Bedeutung und Aussagekraft in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird. Aufgrund eines laufenden Gerichtsverfahrens ist aktuell nicht bekannt, ob die Marktrücknahme endgültig sein wird (Stand 5. Dezember). PBC-Patienten, die Obeticholsäure erhalten und ihre noch verfügbaren Tabletten einnehmen, sollten ärztliche Rücksprache zum weiteren Vorgehen halten, bevor sie etwas an ihrer Einnahme ändern. Weitere Informationen finden Sie hier.
Fibrate wie z.B. Bezafibrat sind bereits seit langem als Fettsenker zugelassen, jedoch nicht für die PBC. Studien zufolge können Fibrate ebenfalls die Wirksamkeit von UDCA verbessern und wirken zudem gegen Juckreiz. Mögliche Nebenwirkungen von Fibraten umfassen erhöhte Leberwerte, Schädigung der Muskeln (Rhabdomyolyse) oder Störungen der Nierenfunktion.
Am 20. September 2024 wurde Elafibranor (ein PPAR-Agonist) in der EU und damit Deutschland zugelassen. Ähnlich wie andere Präparate kommt das Medikament in Frage, wenn die Standardtherapie mit UDCA nicht anspricht oder nicht vertragen wird. In der Zulassungsstudie ELATIVE konnte Elafibranor deutlich öfter Laborwerte verbessern als ein Placebo-Präparat; hierdurch wird langfristig ein milderer Verlauf der PBC erwartet, der sich aber in Langzeitstudien noch bestätigen muss.
In Kürze wird die Zulassung eines weiteren PPAR-Agonisten namens Seladelpar erwartet, welches dann ebenfalls als Zweitlinientherapie zur Verfügung stehen wird.
Speziell für PBC-bedingten Juckreiz wird das Linerixibat (ein IBAT-Hemmer) aktuell in einer Zulassungsstudie untersucht.
Wenn eine Lebertransplantation notwendig wird, bleiben PBC-typische Autoantikörper im Blut wie z.B. AMA dennoch bestehen. In etwa drei Viertel der Fälle kommt jedoch die Lebererkrankung dauerhaft zur Ruhe. Bei etwa einem Viertel bis Drittel der Patienten kommt es auch im neuen Organ wieder zu PBC-typischen Schäden.
Wie weit ist PBC verbreitet?
Die Neudiagnosen der PBC nehmen aus unbekannten Gründen zu. Schätzungen zur Verbreitung variieren: Je nach Untersuchung betrifft die Erkrankung knapp 2 bis 40 von 100.000 Menschen.
Wer ist durch PBC gefährdet?
Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer (Verhältnis etwa 9:1). Erstgradige Verwandte von PBC-Patienten (Kinder/Eltern/Geschwister) scheinen etwas öfter von PBC betroffen zu sein. Auch wenn PBC keine klassische „Erbkrankheit“ ist, wird daher eine genetische Komponente vermutet. Inwieweit andere Faktoren die Entstehung bzw. den Ausbruch einer PBC begünstigen wie z.B. Rauchen, wiederkehrende Harnwegsinfekte, Haarfärbemittel oder Umweltgifte, wird unter Experten diskutiert.
Informationsmaterial zu PBC
Weitere Informationen zu PBC finden Sie in unserer 44-seitigen Broschüre „Primär biliäre Cholangitis (PBC)“, welche Sie in unserem Shop bestellen können:
Link zur PBC-Broschüre
Seit April 2019 ist zudem die europäische EASL-Leitlinie zu PBC auch als Patientenversion in deutscher Sprache veröffentlicht, welche ausführlich über Diagnostik, Therapie und Symptom-Management informiert. Die Leitlinie wurde gemeinsam von der europäischen Lebergesellschaft EASL und dem PBC Network erstellt; die deutsche Version wurde von der Leberhilfe Projekt gUG koordiniert und von der Deutschen Leberhilfe e.V. übersetzt. Die deutschsprachige PBC-Patientenleitlinie können Sie hier unter diesem Link abrufen.
Auch in unserem Magazin „Lebenszeichen – das Lebermagazin“ ist die PBC häufig ein Thema. Sie können dieses Heft entweder einzeln bestellen oder im Rahmen einer Mitgliedschaft bzw. eines Abonnements viermal im Jahr erhalten:
Link zu den Lebenszeichen (Übersicht)
Link mit Informationen zur Mitgliedschaft
Wenn Sie Ursodexoycholsäure einnehmen und herausfinden möchten, ob Sie eine ausreichende Dosis erhalten, können Sie dies im Urso-Dosis-Rechner (Link) überprüfen. Dieser wurde von der PBC Foundation erstellt und von der Leberhilfe ins Deutsche übersetzt.
Im Oktober 2024 wurde eine vorläufige Fassung einer neuen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von autoimmunen Leberkrankheiten (inklusive PBC) veröffentlicht, an der verschiedene Fachgesellschaften sowie Patientenvertreter der Leberhilfe und anderen Verbänden beteiligt waren. Derzeit werden noch bis Ende Oktober 2024 Rückmeldungen zur Leitlinie gesammelt und die Leitlinie vor der finalen Veröffentlichung ggf. an einzelnen Stellen angepasst, bevor sie final veröffentlicht wird. Die vorläufige Leitlinie ist als sogenannte „Konsultationsfassung“ bereits unter folgendem Link online: https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2024/10/LL-AILE_Leitlinie_Konsultationsfassung_02.10.24.pdf
Köln | 12/2024 | Redaktion Leberhilfe