Was sind Porphyrien?
Porphyrien (Krankheiten) sind acht verschiedene, meist angeborene, Stoffwechselerkrankungen, denen jeweils ein Defekt der Hämsynthese zugrunde liegt.
In diesem wichtigen Stoffwechselprozess produziert der Körper in acht aufeinander folgenden Schritten das sogenannte Häm-Molekül bzw. Vorläuferprodukte, die als Porpyhrine bezeichnet werden. Diese sind von lebenswichtiger Bedeutung für Pflanzen, Tiere und Menschen. Besteht innerhalb dieser Produktionskette ein Defekt, häufen sich Zwischenprodukte der Porphyrinsynthese übermäßig an. Diese können sich in vor allem in der Haut und Leber ablagern oder das Nervensystem schädigen und somit unterschiedliche Symptome auslösen, die zu dem Bild einer Porphyrie führen.
Man kann die einzelnen Krankheitsbilder der Porphyrien nach verschiedenen Kriterien differenzieren. Zum einen lassen sie sich nach dem Hauptort des Enzymdefektes in hepatische Porphyrien (Leber) und erythropoetische Porphyrien (Knochenmark) unterscheiden. Unter dem Blickwinkel des klinischen Erscheinungsbildes finden sich akute und nicht-akute Porphyrien.
Berücksichtig man diese Kriterien, so kann man die Porphyrien wie folgt einteilen:
- akute hepatische Porphyrien: akute intermittierende Porphyrie, Porphyria variegata, hereditäre Koproporphyrie und Doss-Porphyrie
- Porphyria cutanea tarda: Dies ist eine nicht-akute hepatische Porphyrie.
- erythropoetische Porphyrien: erythropoetische Protoporphyrie, kongenitale erythropoetische Porphyrie und die X-linked Protoporphyria.
Warum bekommen manche Menschen Porphyrien?
Fast alle Porphyrien sind dadurch bedingt, dass ein Enzym der Hämsynthese mutiert ist. Diese Mutationen können vererbt sein oder spontan auftreten.
Die meisten Porphyrieformen werden autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, die Nachkommen eines Erkrankten haben ein Risiko von 50 %, die Anlage zu erben (akute intermittierende Porphyrie, familiäre Form der Porphyria cutanea tarda, hereditäre Koproporphyrie und die Porphyria variegata). Zum Glück wird dennoch nur ein kleiner Anteil der Anlageträger krank. Das bedeutet, dass ein Träger einer Anlage nicht unbedingt erkranken muss. Eine familiäre Häufigkeit ist jedoch in vielen Familien von Betroffenen zu beobachten.
Bei der Porphyria cutanea tarda spielen zudem bei der Entstehung andere Lebererkrankungen eine entscheidende Rolle, wie die Hämochromatose oder die Hepatitis C.
Was sind mögliche Symptome?
Die Symptome der verschiedenen Porphyrien stellen sich sehr unterschiedlich dar.
Akute hepatische Porphyrien: Symptome treten nach Pubertät auf und sind vielfältig. Klassisch treten Bauchschmerzen, Übelkeit, Missempfindungen, Herzrasen, aber auch Müdigkeit und Lähmungen auf. Ebenso können psychische Symptome eine Rolle spielen. Überdies sind schwere Blutsalzentgleisungen häufig.
Dagegen präsentieren sich erythropoetische Porphyrien primär durch eine schon im Kinders- und Jugendalter auftretende, teilweise schwere Lichtunverträglichkeit mit oft langanhaltendem Brennen, Rötung und Schmerzen der Haut nach Lichtexposition. Ein Teil der Patienten entwickelt im Verlauf eine Leberzirrhose, die durch die Ablagerung bestimmter Porphyrine in der Leber entsteht.
Patienten mit einer Porphyria cutanea tarda sind häufig älter (ca. 50. Lebensjahr) und zeigen eine erhöhte Verletzlichkeit der Haut an sonnenexponierten Stellen wie Gesicht und Händen. Auch können die Leberwerte im Rahmen der oft bestehenden begleitenden Lebererkrankung erhöht sein.
Welche Porphyrien können Leberschäden verursachen?
Akute hepatische Porphyrien wie die akute intermittierende Porphyrie verursachen in der Regel primär keinen Leberschaden. Der Enzymdefekt liegt zwar in der Leber (hepatisch), doch diese ist nicht das Hauptziel der Schädigung. Dennoch besteht ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Leberkrebs (HCC). Ab dem 50. Lebensjahr sollte halbjährlich eine Abdomen-Sonographie durchgeführt werden.
Dagegen haben Patienten mit erythropoetische Porphyrien eine Neigung zur Bildung von Gallensteinen. Sie können sogar im Verlauf durch Porphyrin-Ablagerungen in der Leber eine Leberzirrhose entwickeln. Hier sollten neben einer regelmäßigen Sonographie die Leberwerte in festen Abständen kontrolliert werden.
Bei der Porphyria cutanea tarda kommt es ebenfalls zur Porphyrin-Ablagerung in der Leber. Häufig zeigen sich leicht erhöhte Leberwerte. Wichtig ist, dass diese Porphyrie durch Hämochromatose, Hepatitis C und Alkohol ausgelöst und unterhalten werden können. Auch hier sollten regelmäßig sowohl eine Abdomensonographie als auch die Kontrolle der Leberwerte erfolgen. Gleichzeitig muss die oft begleitende Lebererkrankung berücksichtigt und nach Möglichkeit therapiert werden.
Wie diagnostiziert man Porphyrien?
Zunächst sollten die entsprechenden Beschwerden klinisch eingeordnet werden. Man kann jede Form der Porphyrien sicher über die Analyse der verschiedenen Porphyrine und ihrer Verteilung in Blut, Urin und Stuhl diagnostizieren.
Für die besonders wichtige Diagnose der akuten hepatischen Porphyrien genügt die Untersuchung von 20 ml Spontan-Urin auf Deltaaminolauvulinsäure (ALA), Porphobilinogen (PBG) und die Gesamtporphyrine. Besteht der Verdacht auf eine Porphyria cutanea tarda, sollte im Spontan-Urin, Blut und Stuhl ein Porphyrinprofil erstellt werden. Eine erythropoetische Porphyrie wird durch erhöhte Werte von freiem Protoporphyrin IX im Blut diagnostiziert.
Eine molekulargenetische Analyse kann bei entsprechender Diagnose weiterführend durchgeführt werden, um weitere Träger der Erbanlage zu identifizieren. Dies sollte gemeinsam und individuell besprochen werden und mit einer Beratung verknüpft sein.
Wie behandelt man Porphyrien?
Patienten mit akuten hepatischen Porphyrien sollten ausführlich über richtige Verhaltensweisen aufgeklärt werden. So sollten Patienten Fastenperioden, Stress, Alkohol, Rauchen und bestimmte Medikamente vermeiden, da dies einen akuten Schub auslösen kann. Bei schweren Schüben steht Hämarginat zur Verfügung. Bei wiederholten Schüben und/oder chronischen Beschwerden ist das Medikament Givosiran zugelassen. Das Medikament wird alle 4 Wochen als Spritze unter die Haut (subkutan) gesetzt.
Für Patienten mit erythropoetischen Protoporphyrien ist adäquater Sonnenschutz unabdingbar. Herkömmliche Sonnenschutzcremes sind hier nur wenig effektiv. Daher sollten reflektierende Cremes auf der Basis von Titaniumdioxid oder Zinkoxid benutzt werden, die sowohl gegen UVA, UVB und sichtbares Licht schützen. In ausgewählten Zentren kann das Melanozyten-stimulierende Hormon Afamelanotid bis zu viermal jährlich gegeben werden; dieses wird als Implantat unter die Haut gesetzt. Dadurch erhöht sich die Licht-Toleranz und die Lebensqualität der Patienten. In sehr schweren Fällen ist eine Stammzell- und ggf. Lebertransplantation möglich.
Die Therapie der Porphyria cutanea tarda ist abhängig von den auslösenden Faktoren (Hämochromatose, Hepatitis C etc.) Eine Behandlung der begleitenden Lebererkrankung muss konsequent erfolgen. Auf Alkohol und Hormontherapien sollte verzichtet werden. Wirksame Therapien sind niedrig dosiertes Hydroxychloroquin zur Entfernung der übermäßigen Porphyrinkomplexe, und bei erhöhten Eisenspiegeln ein wiederholter Aderlass. Eine Hepatitis-C-Infektion kann durch antivirale Medikamente ausgeheilt werden.
Medizinischer Notfallausweis
Patienten mit gesicherter Diagnose einer akuten Porphyrie sollten einen spezifischen Notfallausweis mit sich führen, der über die Erkrankung und entsprechende medikamentöse und Verhaltensmaßnahmen im Falle eines akuten Schubes informiert. Dieser Ausweis kann im Notfall lebensrettend sein, da er für die akuten Behandler klare Verfahrensanweisungen gibt und weitere Informationen (z.B. Kontaktdaten zum betreuenden Porphyriezentrum) zur Verfügung stellt. Das betreuende Porphyriezentrum wird Ihnen gern einen solchen Ausweis mit der exakten Diagnose ausstellen.
Sind Patienten mit Porphyrien eine Risikogruppe für Covid-19?
Es ist nicht bekannt, ob Porphyrien ein Risikofaktor für eine schwere Covid-19-Infektion sind. Wie andere Infektionen kann jedoch eine Covid-19-Infektion einen Schub einer akuten hepatischen Porphyrie auslösen.
Können sich Patienten mit Porphyrien gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen lassen?
Ja. Um einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu vermeiden, empfehlen wir die Impfung gegen SARS-CoV-2. Gemäß den Empfehlungen des Europäischen Porphyrienetzwerkes (Epnet) sind alle derzeit in Deutschland verfügbaren und zugelassenen Impfstoffe hierzu geeignet und bergen nach derzeitigem Wissenstand kein zusätzliches Risiko eines akuten Schubes.
Dr. Ilja Kubisch, Nils Wohmann
Sächsisches Porphyriezentrum des Zentrums für Innere Medizin II
Abteilung Gastroenterologie
Klinikum Chemnitz gGmbH
Stand: März 2021