Was ist PFIC?

Progressive Familiäre Intrahepatische Cholestase (PFIC) ist ein Oberbegriff für mehrere, seltene Lebererkrankungen, bei denen der Galleabfluss aus der Leber gestört ist. PFIC werden vererbt. Grundsätzlich können diese in jedem Alter klinisch auffällig werden. Typisch ist aber das Auftreten von Symptomen und die Diagnosestellung bei Säuglingen und Kleinkindern.

Die bekanntesten Formen sind PFIC1, PFIC2 und PFIC3. Man kennt noch vier weitere Varianten 4-7, die aber noch seltener sind.

Heute werden diese verschiedenen Erkrankungen nicht nur mit dieser systematischen Namensgebung durchnummeriert, sondern jede Erkrankung nach der zugrundeliegenden Funktionsstörung benannt: Zum Beispiel wird PFIC2 nach dem ursächlichen Gallesäuren-Transporterdefekt oft auch als BSEP-Defizienz bezeichnet (BSEP steht für Bile Salt Export Pump, s.u.).

Die Unterschiede sind zum Teil erheblich: Je nach Erkrankung sind andere Gene mutiert, und auch die Symptome, der Verlauf und sogar die Therapiemöglichkeiten können unterschiedlich sein. Die Zusammensetzung und der Fluss der Galle wird dabei auf unterschiedliche Art gestört. Leberwerte wie GOT, GPT, alkalische Phosphatase und das direkte Bilirubin können je nach Erkrankung unterschiedlich erhöht sein. Eine Untersuchung der Gamma-GT ist zusätzlich hilfreich, um zwischen den verschiedenen Erkrankungen zu unterscheiden.

Typisch für PFIC sind ein Gallestau sowie ein quälender Juckreiz. Schwere Verläufe bis hin zur Leberzirrhose sind häufig. Dies gilt insbesondere für PFIC2. Eine ursächliche Therapie ist nicht verfügbar. Viele Kinder müssen bereits vor dem zehnten Lebensjahr lebertransplantiert werden, andere bereits im Kleinkindalter. An besseren Therapien wird geforscht.

Was bedeutet der Name?

Der PFIC-Name setzt sich aus folgenden Begriffen zusammen :

  • progressiv = voranschreitend
  • familiär = vererbt
  • intrahepatisch = in der Leber
  • Cholestase = Gallestau

Es handelt sich also um eine fortschreitende, vererbte Gallenwegserkrankung in der Leber.

Wie unterscheiden sich die PFIC-Erkrankungen?

PFIC1 (FIC-1-Defizienz)

Gelbsucht und Juckreiz sind häufig und treten meist als erste Symptome auf. Typisch sind auch Durchfälle, ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen, Wachstumsstörungen, Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Hörprobleme, chronischer Husten und eine Wachstumsverzögerung. Oft kommt es frühzeitig im Säuglingsalter schon zu einer Lebererkrankung im Endstadium. Nach einer Lebertransplantation können Durchfälle noch schlimmer werden, zudem verfettet das neue Organ häufig. Bei dieser Erkrankung führt die Lebertransplantation nur zu einer teilweisen Besserung und die Kinder haben oft erhebliche Probleme mit den Durchfällen.

Bei PFIC1 wird ein bestimmtes Eiweiß (Protein) des Körpers nicht in ausreichender Menge gebildet. Dieses körpereigene Eiweiß nennt sich FIC 1, ein anderer Name ist ATP8B1. Im Wesentlichen ist das Eiweiß ein Transporterprotein, sorgt also für den Transport von Molekülen durch Zellwände. Der FIC-1-Transporter ist dafür verantwortlich, dass der Gallensaft richtig zusammengesetzt ist und dass die Leberzellen richtig funktionieren. Durch einen Mangel an diesem Protein kann beides gestört sein.

Nicht jeder Mensch, dem dieses Protein fehlt, hat allerdings PFIC1. Eine FIC-1-Defizienz tritt noch bei einer weiteren Erkrankung namens BRIC auf, welche meist milder verläuft und nur selten zu ernsten Leberschäden führt.

PFIC2 (BSEP-Defizienz)

Schwere Verläufe sind häufig. Der Juckreiz ist oft schwer ausgeprägt und das Wachstum häufig verlangsamt. Möglich sind Gelbsucht, ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen und Gallensteine in 30%. PFIC2 schreitet oft innerhalb weniger Jahre bis zur Zirrhose voran. Komplikationen durch Pfortaderhochdruck sind im Zirrhosestadium häufig. Das Risiko von Leberzellkrebs (HCC) und Gallenwegstumoren (CCC) ist erhöht. Nach einer Transplantation können wieder PFIC2-ähnliche Schäden in der neuen Leber auftreten. Dies liegt an speziellen, sogenannten alloreaktiven Antikörpern bei diesen Betroffenen.

Bei PFIC2 fehlt dem Körper ein anderes, wichtiges Transporteiweiß. Dieses wird als ABCB11 oder BSEP bezeichnet (Bile Salt Export Pump). Dieses Eiweiß ist wichtig, um Gallensalze zu transportieren, Galle herzustellen und den Gallefluss zu ermöglichen.

PFIC3 (MDR3-Defizienz)

Die Verläufe sind unterschiedlich schwer und auch die Symptome von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Möglich sind eine Gallengangsvermehrung, Fibrose bis hin zur biliären Zirrhose und vermehrte Gallensteinbildung. Juckreiz ist oft weniger extrem ausgeprägt als bei den anderen PFIC-Typen. Im Gegensatz zu PFIC1 und PFIC2 ist die Gamma-GT im Blut in der Regel erhöht. Etwa 50% der Patienten sprechen auf eine Therapie mit Ursodeoxycholsäure an. Ein Teil der Patienten bleibt komplikationsfrei. PFIC3 kann in einigen Fällen auch im jungen Erwachsenenalter erstmals auftreten. Frauen mit PFIC3 haben ein erhöhtes Risiko, bei Schwangerschaft einen Gallenstau zu entwickeln (Schwangerschaftscholestase), der häufiger zu Komplikationen und Frühgeburten führt.

Bei PFIC3 fehlt ein Eiweiß, welches als Multidrug resistance protein 3 oder kurz MDR3 bezeichnet wird. Ein anderer Name ist ABCB4. Dieses Eiweiß ist mit dafür zuständig, die Phospholipide zu transportieren. Diese sind wiederum wichtig, um den Anteil der Gallensalze in der Galle zur regulieren. Funktioniert dies nicht richtig, steigt die Menge der Gallensalze. Dies schädigt wiederum die oberste Zellschicht in den Gallengängen (Gallengangsepithel). Die Schädigung führt zu einem Anstieg der Gamma-GT bei PFIC3. Bei den anderen PFIC-Typen ist eher das Gegenteil der Fall: Dort ist der Anteil der Gallensalze zu niedrig statt zu hoch.

Warum bekommen manche Menschen PFIC?

PFIC sind seltene Erbkrankheiten. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv, wenn ein Kind sowohl von seinem Vater als auch seiner Mutter je ein defektes Chromosom erbt (homozygoter Träger). Wenn ein Mensch nur ein defektes Chromosom in sich trägt (heterozygoter Träger), ist das Erkrankungsrisiko deutlich geringer, wenn auch nicht null. Träger können jedoch das defekte Chromosom an ihre Kinder vererben.

2020 zeigte eine niederländische Studie (Mazetti et al., EASL 2020), dass PFIC3 bis hin zur Leberzirrhose und Gallenwegskarzinom mitunter auch bei Menschen auftreten kann, die nur ein defektes Chromosom in sich tragen. Bei der großen Mehrzahl waren die Krankheitsverläufe jedoch milder als bei homozygoten Trägern.

In einigen Fällen gibt es weitere Fälle von PFIC oder ähnliche Komplikationen in der Familie. Mitunter gab es bereits bei der Schwangerschaft der Mutter einen Gallestau (Schwangerschaftscholestase), in einigen Fällen haben auch Geschwister PFIC.

In welchem Alter tritt PFIC auf?

Die meisten PFIC-Erkrankungen treten in den ersten Lebensmonaten auf. PFIC3 kann in einigen Fällen aber auch später, z.B. im jungen Erwachsenenalter auftreten.

Was sind mögliche Symptome?

Juckreiz ist das häufigste Symptom bei PFIC und für die betroffenen Kinder und ihre Familien schwer belastend. Der Juckreiz kann so ausgeprägt sein, dass Kinder ihre Haut durch beständiges Kratzen dauerhaft schädigen, keinen Schlaf finden (und dadurch auch ihre Eltern wachhalten) und tagsüber sehr müde sind. Konzentrationsstörungen sind ebenfalls häufig.

Weitere mögliche Symptome von PFIC sind eine Gelbsucht, insbesondere bei Neugeborenen. Vitamin-K-Mangel kann die Blutungsneigung erhöhen. Vitamin-D-Mangel kann zu einer Rachitis führen, bei welcher der Knochenaufbau gestört ist. Durch eine gestörte Verdauung kann es zu lehmfarbigen und geruchsintensiven Durchfällen kommen. Das Wachstum kann ebenfalls verlangsamt werden, da weniger Nährstoffe wie z.B. Fette erfolgreich aus der Nahrung aufgenommen werden. Auch über Hörprobleme und Bauchspeicheldrüsenentzündungen wurde berichtet. Bei dauerhafter Gelbsucht können sich auch Zähne bei heranwachsenden Kindern verfärben.

Führt PFIC zu einer fortgeschrittenen Leberzirrhose, können Zirrhose-typische Symptome und Komplikationen auftreten wie z.B. ein Wasserbauch oder Krampfaderblutungen.

Wie diagnostiziert man PFIC?

Die Diagnose von PFIC ist anspruchsvoll und wie ein Puzzlespiel. Je mehr Teile zusammenpassen, desto wahrscheinlicher ist die Diagnose.

Starker, unstillbarer Juckreiz bei Kleinkindern führt oft zu einem ersten Verdacht, dass etwas nicht stimmt.

Oft sind verschiedene allgemeine Leberwerte erhöht, z.B. die GOT, GPT und das direkte Bilirubin. Auch die Gallensäuren sind durch den Gallestau im Blut oft stark erhöht. Die Gamma-GT ist meistens normal, speziell beim Untertyp PFIC3 kann diese aber auch stark erhöht sein.

Im Blut oder Urin können zusätzlich auch Gallensalze verändert sein. Diese Tests sind aufwändiger als z.B. Leberwerte und es kann länger dauern, bis Ergebnisse vorliegen.

Eine Leberpunktion ist notwendig, um die Frage nach einer PFIC genauer einzugrenzen. Oft sieht man im Lebergewebe typische Veränderungen. Durch eine immunhistochemische Färbung können z.B. defekte Transport-Eiweiße in der Membran der Leberzellen festgestellt werden.

Genetische Untersuchungen können ebenfalls einen Aufschluss liefern. Diese können Mutationen nachweisen, die man heute bereits kennt. Bei einem Gentest sollten möglichst beide Eltern mit untersucht werden. Es kann sehr lang dauern – mitunter sogar Monate –, bis ein Ergebnis vorliegt. Da noch nicht alle verantwortlichen Gene bei PFIC bereits bekannt sind, reichen Gentests nicht immer aus, um einen Genfehler eindeutig zu identifizieren.

Wie häufig ist PFIC?

Eine genaue Zahl ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass eins von 50.000 bis 100.000 Neugeborenen an PFIC leidet.

Wie behandelt man PFIC?

Im Sommer 2021 wurde mit Odevixibat ein erstes Arzneimittel für PFIC zugelassen. Im September 2024 wurde zudem die Zulassung von Maralixibat für PFIC erweitert (welches bereits für das Alagille-Syndrom zugelassen war). Beide Medikamente hemmen den Gallesäuretransporter IBAT, der sich im letzten Teil des Dünndarms befindet. Dies kann bei einem Teil der Patienten den Spiegel schädlicher Gallensäuren reduzieren, erhöhte Leberwerte senken und den Juckreiz lindern. Wenn die Gallensäuren erfolgreich gesenkt werden, gibt es erste Hinweise, dass dies auch die Lebererkrankung abmildern und das Überleben ohne Transplantation verlängern könnte. Mögliche Nebenwirkungen der Medikamente umfassen u.a. Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfälle. Langzeitbeobachtungen mit diesen Behandlungen stehen noch aus.

Für Juckreiz werden seit längerer Zeit verschiedene Medikamente wie z.B. Cholestryramin, Naltrexon oder Rifampicin eingesetzt. Weitere Juckreiz-stillende Medikamente speziell für PFIC werden in Studien untersucht. Damit Kinder sich weniger wundkratzen, sollten die Fingernägel kurzgehalten werden. Wenn Medikamente den Juckreiz nicht lindern, kann ggf. auch eine Ausleitung von Gallenflüssigkeit über die Nase erfolgen (so genannte nasobiliäre Drainage). In schweren Fällen ist der Juckreiz so unstillbar und belastend, dass ein normales Leben nicht mehr möglich ist und eine Lebertransplantation erfolgt, obwohl das Organ noch funktioniert. Die Transplantation ist der letzte Ausweg, aber kann den Juckreiz abrupt beenden. Eine Lebertransplantation wird ansonsten erst eingesetzt, wenn die Leber selbst bereits schwer geschädigt ist und z.B. eine fortgeschrittene Zirrhose vorliegt (siehe unten).

Ursodeoxycholsäure (UDCA) wird bisher bei PFIC-Erkrankungen häufig eingesetzt, wobei die Wirksamkeit umstritten und nicht immer gleich ist. Bei PFIC3 ist die Substanz in etwa der Hälfte der Patienten wirksam und kann möglicherweise die Leberschädigung abmildern.

Ernährungsmaßnahmen können unterstützend eingesetzt werden: Hierzu gehört z.B. eine erhöhte Kalorienzufuhr, die Gabe von fettlöslichen Vitaminen und MCT-Fetten.

Für Komplikationen der Krankheit kommen chirurgische Eingriffe in Betracht. Diese haben Vor- und Nachteile. Eine Entscheidung über solche Eingriffe muss im Einzelfall geprüft werden.

Bei PFIC1 und 2 kann in einigen Fällen eine sogenannte partielle externe Gallediversion (PEBD) erfolgen. Dafür wird eine 10 bis 15 lange Dünndarmschlinge entnommen und als Verbindung von der Gallenblase durch die Bauchwand hinausgeleitet. Die Kinder tragen dann einen Stomabeutel, in den ein Teil der Gallenflüssigkeit abfließt. Dies kann den Juckreiz und die Leberschädigung in einigen Fällen abmildern. Allerdings ist das Tragen eines Stoma eine äußerlich sichtbare Beeinträchtigung, die vielen Kindern unangenehm ist.

Seltener eingesetzt wird ein weiterer chirurgischer Eingriff: der partielle Ileum-Bypass (übersetzt: teilweise Umgehung des Dünndarms). Hier wird eine Kurzschlussverbindung vom Dünndarm in den Dickdarm gesetzt, sodass etwa 15% des unteren Dünndarmschnittes umgangen werden. Hierdurch verringert sich die Menge an Gallensalzen, die im Dünndarm wieder aufgenommen wird. Das Fehlerrisiko ist jedoch hoch. Wenn der Bypass zu wenig Dünndarm umgeht, ist der Eingriff ggf. wirkungslos. Umgeht man zu lange Teile des Dünndarms, ist die Verdauung dauerhaft gestört, und es kann zu schweren, chronischen Durchfällen kommen.

Bei fortgeschrittener Lebererkrankung kann eine Lebertransplantation notwendig werden. Diese kann für einen Teil der PFIC-Patienten auch die Leberkrankheit heilen. Speziell beim PFIC-Typ 2 besteht jedoch selbst nach der Transplantation ein Risiko, dass die Erkrankung auch im neuen Organ wieder auftritt.

Künftige Therapien?

Bei PFIC3 wird untersucht, ob Fibrate die Wirksamkeit von Ursodeoxycholsäure verbessern können. Fibrate sind als Fettsenker schon lange auf dem Markt, aber nicht für PFIC zugelassen. Auch hier bleibt abzuwarten, was weitere Studien ergeben.

In der weiteren Zukunft ist auch denkbar, dass Gen- oder Zelltherapien eingesetzt werden.

Weiterführende Informationen

Unser Partnerverein „Verein Leberkrankes Kind e.V.“ ist in Deutschland Hauptansprechpartner für leberkranke Kinder und ihre Eltern: https://leberkrankes-kind.de/

 

Köln | 9/2024 | Ingo van Thiel/Redaktion Leberhilfe | Beratung: Prof. Dr. med. Stefan Wirth

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