Was ist das?

Die IgG4-assoziierte Cholangitis ist eine seltene, autoimmune Lebererkrankung. Diese Form der Autoimmunerkrankung – mit sogenannten IgG4-Antikörpern – kann prinzipiell verschiedene Organe befallen: z.B. die Bauchspeicheldrüse (Pankreas), den Darm, die Muskulatur, die Speicheldrüsen oder auch die Gallengänge. Wenn die Gallengänge betroffen sind, wird dies als IgG4-assoziierte Cholangitis (IAC) bezeichnet.

Die IAC betrifft zunächst die Wände der Gallenwege, welche verdickt sind. Im weiteren Verlauf kann die Krankheit auf die ganze Leber übergreifen und zur Vernarbung bis hin zur Zirrhose führen. IAC betrifft auffällig oft Männer mittleren Alters, welche im Beruf längerfristig giftige Stoffe eingeatmet haben, dies ist jedoch nicht immer der Fall. Bei Kindern scheint IAC dagegen fast nie aufzutreten.

Oft geht die IAC gleichzeitig mit einer autoimmunen Bauchspeicheldrüsenentzündung einher (autoimmune Pankreatitis Typ 1). Sobald eine dieser beiden Erkrankungen diagnostiziert wird, sollte daher zur Sicherheit auch nach der jeweils anderen Diagnose gesucht werden. Die Diagnose der IgG4-assoziierten Cholangitis ist schwierig und nicht immer eindeutig von anderen Erkrankungen unterscheidbar. Insbesondere muss bei Verdacht auf IAC immer untersucht werden, ob nicht eine bösartige Erkrankung wie z.B. ein Gallengangskarzinom vorliegt, welche zu den gleichen Symptomen führen kann. Die IAC lässt sich meist sehr gut durch Medikamente kontrollieren.

Wie bekommt man IAC bzw. wer ist gefährdet?

IAC ist selten. Mehr als vier von fünf Betroffenen sind männlich. Oft liegt das Alter über 50 Jahre, und häufig wurden jahrelang im Beruf toxische Dämpfe eingeatmet, z.B. Industriegase und Dämpfe, Lösungsmittel, Farbstoffe oder Ölprodukte. Viele Betroffene leiden gleichzeitig an Allergien.

Was sind mögliche Symptome der IAC?

Eine Gelbsucht (Ikterus) und Gewichtsverlust stehen bei IgG4-assoziierter Cholangitis im Vordergrund. Über Oberbauchbeschwerden und Juckreiz wird ebenfalls berichtet. Verfetteter, weicher Stuhlgang oder ein neu aufgetretener Diabetes sind mögliche Hinweise, dass auch eine autoimmune Pankreatitis vorliegt. Speichel- und Tränendrüsen sind bei IAC häufiger von Bakterien befallen und können dadurch geschwollen sein. Zudem können auch Beschwerden bei Harn- und Geschlechtsorganen vorliegen.

Wie diagnostiziert man IAC?

Die Diagnose einer IgG4-assoziierten Cholangitis (IAC) ist komplex. Oft ist die Erkrankung nur schwer von anderen Erkrankungen der Gallenwege bzw. der Bauchspeicheldrüse zu unterscheiden. Die Diagnose ist wie ein Puzzlespiel aus verschiedenen Untersuchungen und Faktoren. Je mehr Faktoren zusammenpassen, desto klarer ist das Bild einer IgG4-Cholangitis.

Um eine IgG4-assoziierte Cholangitis zu diagnostizieren, werden heute meist die HISORt-Kriterien verwendet. Die Abkürzung HISORt stammt aus dem Englischen:

  • Leberbiopsie (H wie „Histology“)
  • Bildgebung (I wie „Imaging“)
  • Blutuntersuchung auf IgG4-Spiegel (S wie „Serology“)
  • weitere typische Symptome bzw. Krankheitszeichen an anderen Organen (O wie „Organ“)
  • Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie (Rt wie „Response to steroid therapy“)

Wichtig ist insbesondere der Ausschluss folgender Diagnosen, die ähnlich aussehen können: Primär sklerosierende Cholangitis, sekundär sklerosierende Cholangitis sowie Tumoren der Gallenwege oder Bauchspeicheldrüse.

Im Laborbild sind insbesondere Marker der Gallengänge oft auffällig, also die alkalische Phosphatase, die Gamma-GT und das Bilirubin. Leberwerte wie GOT (AST) und GPT (ALT) sind meist eher mild erhöht. Es sollte die berufliche Vorgeschichte sorgfältig abgefragt werden, insbesondere im Hinblick auf ggf. längerfristig eingeatmete toxische Dämpfe oder Ausdünstungen.

Zu Beginn der Diagnostik wird ein Ultraschall oder eine Endosonographie des Bauchraums durchgeführt. Bei Verdacht auf IAC wird auch eine MRT bzw. MRCP des Oberbauchs dringend empfohlen. Diese hilft, die Leber, Gallenwege und Gallenblase sowie die Bauchspeicheldrüse zu beurteilen.

Eine Leberpunktion oder eine Gewebeprobe aus den Gallenwegen (bei einer Gallengangsspiegelung) sind ebenfalls oftmals erforderlich. Hier werden oft charakteristische Veränderungen gesehen, z.B. eine Häufung von IgG4-positiven Plasmazellen und stark vernarbte Wände der Gallenwege. Wenn die Gewebeuntersuchung nach der Punktion nicht eindeutig ist, sollten andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Insbesondere falls sich an anderer Stelle in der Leber eine unklare Raumforderung befindet, sollte diese ggf. noch einmal punktiert und untersucht werden.

Wenn die Befunde unklar sind und trotzdem weiter ein Verdacht auf IAC besteht, können Betroffene versuchsweise über vier Wochen mit Immunsuppressiva behandelt werden; wenn sich die Erkrankung dadurch deutlich verbessert, spricht dies für eine IAC. Wenn nicht, sollte ausgeschlossen werden, dass z.B. andere Gallenwegserkrankungen oder bösartige Tumoren vorliegen.

Es ist noch umstritten, ob das Risiko für bestimmte Tumoren bei IAC erhöht ist. Daher gibt es noch keine Empfehlung, ob bei IAC ein Tumorscreening erfolgen sollte oder nicht.

Behandlung

Wenn IAC-Patienten Symptome haben, wird fast immer eine immunsuppressive Therapie mit Prednison bzw. Prednisolon gestartet (es sei denn, es gibt Kontraindikationen). Die Medikamente werden in den ersten drei Monaten in höherer Dosis gegeben (Induktionstherapie) und dann schrittweise reduziert. Dadurch können gerade zu Beginn steroid-typische Nebenwirkungen entstehen wie z.B. Vollmondgesicht, Gewichtszunahme, Sonnenempfindlichkeit und dünne, unreine Haut. Diese Nebenwirkungen gehen mit Reduktion der Dosis in der Regel zurück.

Die immunsuppressive Therapie spricht bei der Mehrzahl der Betroffenen gut an und kann die Erkrankung unter Kontrolle bringen. Bei 97% kommt es schon nach drei Monaten zumindest zu einem teilweisen Therapieerfolg. Bei zwei Dritteln der Patienten wird zu diesem Zeitpunkt sogar schon eine vollständige Remission (Rückgang) der Erkrankung gesehen: Dabei normalisieren sich Leberwerte und IgG4-Werte im Blut und auch Veränderungen im Organ (Strikturen und Pseutotumoren) können sich dann vollständig zurückbilden. Häufig werden Betroffene danach über mehrere Jahre mit niedrigen Dosierungen von Predniso(lo)n oder Azathioprin als Erhaltungsdosis weiterbehandelt: Ein vollständiges Absetzen aller Medikamente führt jedoch in ca. 30 bis 50% aller Fälle zu einem Rückfall der IAC. Ein solcher Rückfall erfolgt dann meist im ersten halben Jahr nach Therapieende.

Sprechen IAC-Patienten nicht ausreichend auf Immunsuppressiva an, sollte die Diagnose erneut überprüft werden. Oft kann die Behandlung trotz nicht ausreichendem Ansprechen nach drei bis sechs Monaten ausgeschlichen werden. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, andere Medikamente wie Azathioprin oder ggf. Mycophenolat-Mofetil einzudosieren. Falls solche Mittel nicht ansprechen, kann in seltenen Sonderfällen eine Behandlung mit einem Anti-CD20-Antikörper versucht werden; Risiken und Nutzen müssen hier jedoch individuell abgewogen werden. In Studien werden derzeit alternative Medikamente, meist spezifische Antikörper, untersucht.

Verbreitung

IgG4-assoziierte Cholangitis ist sehr selten. Zahlen zu Neudiagnosen und Verbreitung in Deutschland und Europa liegen uns aktuell nicht vor.

In Japan gibt es nur statistische Zahlen zur autoimmunen Pankreatitis (AIP). Erfahrungsgemäß hat aber gut die Hälfte dieser Patienten auch eine IgG4-assoziierte Cholangitis, sodass hier zumindest indirekte Schätzungen möglich sind. Autoimmune Pankreatitis betrifft ca. 2,2 von 100.000 Menschen und wird jährlich bei etwa 0,9 von 100.000 Menschen neu diagnostiziert. Die Zahl der Betroffenen mit IgG4-assoziierter Cholangitis dürfte in Japan entsprechend etwa halb so hoch liegen.

Köln | 04/2023 | Redaktion Leberhilfe
Beratung: Prof. Dr. med. Frank Tacke, Berlin

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