25. Juni

Screening auf Hepatitis B und C ist wichtig und sinnvoll

Stellungnahme zu den IQWiG-Vorberichten „Screening auf Hepatitis B und Screening auf Hepatitis C“ (S16-03 und S16-04).

Ist die Einführung von Screeningmaßnahmen auf die gefährlichen beiden Viren Hepatitis B und C auch in Deutschland sinnvoll? Diese Frage wird derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss diskutiert. Dieser beauftragte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den Nutzen eines solchen Screenings zu bewerten. Das IQWiG erklärte nun kürzlich in einer Pressemeldung: „Ob der Nutzen den Schaden überwiegt, bleibt mangels geeigneter Studien offen“.

Die Deutsche Leberhilfe e.V., welche tagtäglich mit der Realität und dem Leid von schwer kranken Patienten konfrontiert ist, sieht dies anders.

Als Patientenorganisation für Leberkranke erachten wir es für sehr wichtig, dass ein Verfahren zum effektiven Screening auf eine Hepatitis B und eine Hepatitis C Virusinfektion in Deutschland etabliert wird.

Chronische Hepatitis B und C betreffen laut Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums (BIS2030-Strategiepapier) jeweils bis zu 300.000 Menschen in Deutschland. Die Mehrzahl der HBV- und HCV-Infizierten in Deutschland ist sich ihrer Infektion dabei nicht bewusst, da diese wie alle Leberkrankheiten oft nur zu unspezifischen Symptomen wie z.B. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Gelenkbeschwerden führen. Erkannt werden viele Infektionen daher erst, wenn Patienten bereits an Komplikationen einer fortgeschrittenen Leberkrankheit leiden und es damit für eine effektive Therapie bereits sehr spät, wenn nicht zu spät ist.

Die lebensgefährlichen Spätfolgen von Leberkrankheiten, Zirrhose und Leberkrebs, haben in den letzten zehn Jahren in Deutschland ebenso wie global deutlich zugenommen. Neben dem Leid für die Patienten entstehen hierdurch auch hohe direkte und indirekte Kosten. Dazu gehören Ausgaben im medizinischen Bereich, aber auch soziale Kosten wie Frühverrentung, Produktivitätsverlust und Pflegenotwendigkeit.

Ein Großteil dieser Komplikationen könnte verhindert werden, da es für beide Erkrankungen effektive Therapien gibt. Die chronische Hepatitis B ist effektiv kontrollierbar, die Hepatitis C ist heute sogar fast immer vollständig heilbar.

Langzeitstudien haben sowohl für die Hepatitis-B- als auch die Hepatitis-C-Therapie gezeigt, dass diese die Morbidität und Mortalität deutlich senken. Beide Behandlungen sind obendrein kosteneffektiv. Die Preise der neuen Hepatitis-C-Medikamente waren zwar anfangs nach der Zulassung sehr hoch, sind aber relativ rasch abgefallen und wurden in diesem Jahr nochmals deutlich gesenkt. Die Medikamente für die Hepatitis B sind bereits teilweise als Generika erhältlich.

Eine frühe Diagnostik ermöglicht nicht nur eine rechtzeitige Behandlung, sondern senkt zudem das Infektionsrisiko für andere: durch angepasstes Risikoverhalten, Präventionsmaßnahmen (z.B. Hepatitis-B-Impfung von Partnern und nahen Angehörigen) und antivirale Therapien, welche die Virenvermehrung bei Hepatitis B unterdrücken und die Hepatitis-C-Infektion eliminieren.

Im Vorbericht durch das IQWiG wird weder für die Hepatitis B noch für die Hepatitis C ein Screening empfohlen. Dies erscheint aus den oben genannten Gründen aber auch im Hinblick auf internationale und nationale Anstrengungen unverständlich.

Die globale Strategie der WHO (Global Health Sector Strategy) sieht eine Eindämmung der Hepatitis B und C bis zum Jahr 2030 vor. Hierzu hat sich auch die deutsche Bundesregierung verpflichtet.

Entsprechend wurde in Deutschland die BIS2030-Strategie beschlossen, die ebenfalls zum Ziel hat, die Inzidenz, Prävalenz sowie die Morbidität und Mortalität durch HBV- und HCV-Infektionen einzudämmen. In diesem Strategiepapier wird die niederschwellige Testmöglichkeit durch den Hausarzt neben der Testung von besonderen Risikogruppen hervorgehoben, um möglichst effektiv alle Betroffenen erfassen zu können. Trotz des Beschlusses der BIS2030-Strategie ist das Screening auf Hepatitis C vor kurzem nicht erleichtert, sondern zusätzlich erschwert worden: Seit April 2018 ist der Hepatitis-C-Antikörpertest für niedergelassene Ärzte nicht mehr kostenneutral, da er von den Befreiungsziffern 32005 und 32006 nicht mehr abgedeckt wird. Warum dieser für das Hepatitis-C-Screening unverzichtbare Marker gestrichen wurde, ist unerklärlich und steht im eklatanten Widerspruch zur BIS2030-Strategie: Erste Rückmeldungen zeigen, dass das Hepatitis-C-Screening bei den Hausärzten durch diese Restriktion massiv zurückgegangen ist. Die Alternative einer direkten Testung auf HCV-RNA ist wesentlich kostenintensiver und entspricht nicht der leitliniengerechten Stufendiagnostik.

Aus unserer Sicht ist die Etablierung eines Screenings auf Hepatitis-B- und -C-Infektionen in Deutschland eine sehr sinnvolle und unbedingt notwendige Maßnahme, um die Hepatitis B und C einzudämmen. Die Prävalenz und Inzidenz beider Erkrankungen kann deutlich gesenkt werden. Hierdurch lässt sich nicht nur viel Leid der Betroffenen und ihrer Angehörigen verhindern, sondern auch langfristig medizinische und sozio-ökonomische Folgekosten deutlich senken.

Nicht zuletzt sollte auch Deutschland nicht hinter zahlreichen anderen Ländern in Europa wie Frankreich, Spanien, Portugal, England, Island u.a. zurückfallen, in denen bereits Screeningmaßnahmen eingeführt wurden und erste Erfolge verzeichnet werden.

Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin
Deutsche Leberhilfe e.V.

 

 

Literatur:

  1. IQWiG: Screening auf Hepatitis B und Hepatitis C: Vorläufige Ergebnisse veröffentlicht. https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/screening-auf-hepatitis-b-und-hepatitis-c-vorlaeufige-ergebnisse-veroeffentlicht.8948.html . 07.05.2018
  2. EASL-EORTC Clinical Practice Guidelines: Management of hepatocellular carcinoma. Journal of Hepatology 2012;56;908-43.
  3. McGlynn KA, London WT. The global epidemiology of hepatocellular carcinoma: present and future. Clin Liver Dis 2011:15:223-43.
  4. Bundesministerium für Gesundheit: BIS 2030 – Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Stand: 12. April 2016. https://www.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BMG/_2851.html

Autor: Prof. Dr. med. Christoph Sarrazin | Wiesbaden

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