14. Juni

Obeticholsäure für PBC ist bei dekompensierter Zirrhose nun kontraindiziert

Köln, 14. Juni 2022. Die Zulassung von Obeticholsäure (OCA) wurde im Juni 2022 eingeschränkt: Ab jetzt ist die Einnahme nur noch bis zum anfänglichen Zirrhosestadium erlaubt. Bei fortgeschrittener Zirrhose im Stadium Child-Pugh B und C ist das Arzneimittel nun kontraindiziert und darf nicht mehr eingenommen werden. Ein entsprechender Rote-Hand-Brief des Herstellers ging am 9. Juni 2022 an Ärzte in Deutschland, um diese über die Änderung zu informieren.

Obeticholsäure ist seit 2016 für die Primär biliäre Cholangitis (PBC) zugelassen. Die Substanz kann zur Standardtherapie mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) hinzugegeben werden, wenn diese allein nicht anspricht. Falls UDCA nicht vertragen wird, kann OCA auch alleine eingesetzt werden. Daten vom amerikanischen Liver Meeting im November 2021 zeigen, dass dies sowohl die Laborwerte als auch das Überleben ohne Transplantation verbessert (vgl. Lebenszeichen 4/21).

Obeticholsäure wird über die Leber verstoffwechselt. Bei dekompensierter Zirrhose ist die Leberfunktion jedoch eingeschränkt, sodass die Substanz schlechter abgebaut wird. Hierdurch kann sie sich im Körper anreichern und zu Überdosierungen führen, welche die schwer kranke Leber dann nicht mehr schützen, sondern im Gegenteil gefährden. Über Fälle von Leberschäden bis hin zu Leberversagen wurde berichtet, wenn solche OCA-Überdosierungen bei dekompensierter Zirrhose entstanden.

Bislang war das Medikament in der EU bei fortgeschrittener Zirrhose dennoch zugelassen, wurde aber in reduzierter Dosis und zunächst nur einmal wöchentlich statt täglich genommen. Das Problem schien damit zunächst im Griff zu sein.

Im letzten Sommer 2021 wurden jedoch in den USA weitere Fälle von Leberschäden und Leberversagen bekannt, wenn Patienten mit fortgeschrittener Zirrhose Obeticholsäure einnahmen – obwohl dies in der vorgeschriebenen, reduzierten Dosis geschehen war. Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA schränkte daraufhin bereits im letzten Jahr die Zulassung in den USA ein, sodass das Arzneimittel bei dekompensierter Zirrhose kontraindiziert war (vgl. Lebenszeichen 3/2021).

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) entschied sich damals – anders als die FDA – noch nicht sofort dafür, die Zulassung auch in Europa einzuschränken. Stattdessen forderte die EMA zunächst weitere Daten von der Herstellerfirma an, um eine erneute Nutzen- und Risikobewertung vorzunehmen. In der EU hatte es keine Häufung von Leberschäden gegeben wie in den USA und die EMA befürchtete, sonst schwer kranken PBC-Patientinnen und Patienten ggf. eine wirksame Therapiemöglichkeit wegzunehmen.

Zwei aktuelle Studien konnten einen Nutzen der Substanz bei fortgeschrittener Zirrhose im Stadium Child-Pugh B und C nicht belegen. Angesichts der möglichen Risiken wurde daher nun auch von der EMA beschlossen, die Zulassung hier einzuschränken.

Der Rote-Hand-Brief der Herstellerfirma fordert Ärzte auf, bei Betroffenen mit dekompensierter Zirrhose das Medikament abzusetzen bzw. gar nicht erst eine OCA-Behandlung zu beginnen. Dies gelte auch, wenn in der Vergangenheit schon einmal ein Dekompensationsereignis vorlag (z.B. Wasserbauch). Wenn PBC-Betroffene mit stabiler Zirrhose das Mittel einnehmen, sollen diese regelmäßig überwacht werden; falls die Erkrankung trotz Behandlung zur dekompensierten Zirrhose voranschreitet, soll auch hier das Mittel abgesetzt werden.

Für die meisten PBC-Betroffenen ändert sich hierdurch nichts. Obeticholsäure bleibt weiterhin bis zur anfänglichen Zirrhose zugelassen. Bei dekompensierter Zirrhose scheint das Medikament hierzulade kaum noch eingesetzt worden zu sein, schon bevor die EMA der Entscheidung der FDA folgte. In unserer Beratung hatten wir schon seit einem Jahr keinen Fall mehr, wo Obeticholsäure noch bei dekompensierter Zirrhose eingenommen wurde.

Ingo van Thiel
Redaktion Deutsche Leberhilfe e.V.
Beratung: Prof. Dr. med. Claus Niederau

Dieser Artikel erscheint auch in der kommenden Ausgabe der Lebenszeichen 2/2022.

 

Quellen:
1. Intercept: Ocaliva® (Obeticholsäure): Neue Kontraindikation für die Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC) bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose oder mit einer vorherigen hepatischen Dekompensation in der Vorgeschichte. Rote-Hand-Brief. 9.6.2022. https://www.gelbe-liste.de/rote-hand-briefe/rote-hand-brief-obeticholsaeure-ocaliva
2. FDA: Due to risk of serious liver injury, FDA restricts use of Ocaliva (obeticholic acid) in primary biliary cholangitis (PBC) patients with advanced cirrhosis. Adding and updating warnings. 05-26-2021 . https://www.fda.gov/drugs/drug-safety-and-availability/due-risk-serious-liver-injury-fda-restricts-use-ocaliva-obeticholic-acid-primary-biliary-cholangitis

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