22. November

Meulengracht: ein Erfahrungsbericht

Ich bin eine junge Frau von 35 Jahren, verheiratet und mit zwei Kindern. Seit dem 3. Oktober 2022 weiß ich nun durch meinen Gentest, dass ich Morbus Meulengracht, übertragen von beiden Elternteilen, habe. Also hab ich auf jeden Fall meinen Kindern das Gen weitergegeben. Gut zu wissen, falls meine Kinder auch Symptome entwickeln.

Richtig wahrgenommen hab ich es erst, als ich äußerlich gelbe Haut und Augen bekam. Das war 2012 voll berufstätig in der Krankenpflege. Das Blutbild zeigte nur erhöhtes Bilirubin. Für drei Ärzte war es klar, dass ich Morbus Meulengracht habe. Das Labor bestätigte dies erst später.

Die Erkrankung beeinflusst mich in meinem Alltag, fast jeden Tag. Muss auf die richtige Ernährung achten, mein Gewicht halten, nehme schnell ab. Was auch zunehmend ein Problem darstellt, obwohl ich gut esse und mich auch ein Jahr in ernährungsärztlicher Therapie befand. Ausreichend Schlaf, kein Alkohol, nicht rauchen, an all das halte ich mich schon seit meinen Schwangerschaften.

Meine Stressresilienz ist so gemindert, dass ich schnell aus der Haut fahre. Meditation und Bewegung in der Natur lassen mich etwas gelassener sein. Sport kann ich nur nüchtern betreiben und auch nicht zu viel. Zweimal in der Woche ist das Maximum, sonst bekomme ich Bauchkrämpfe und Übelkeit.

Hatte eine Covid-19-Infektion im April 2022 ohne vorherige Corona-Impfung. Meine Symptome waren Halsschmerzen und wie Muskelkater am ganzen Körper, also wie eine milde grippale Infektion. Das ging etwa zwei Tage, dann ging es mir wieder gut.

Da M.M. auf jeden Fall vererbt wird, ist es interessant, dass ein Neugeborenen-Ikterus schon ein Merkmal dafür sein kann (Ikterus = Gelbsucht). Ich und mein Bruder hatten den Ikterus. In der Jugend hatte ich schon Bauchprobleme, Lagewechsel-bedingten Drehschwindel und Übelkeit, aber nie einen auffälligen Ikterus. Diesen merkte ich erstmals nach der Hepatitis-A- und -B-Impfung, 2005 wurde ich vollständig dagegen geimpft.

In beiden Schwangerschaften hatte ich vom dritten bis zum fünften Monat starke Übelkeit, Brechreiz eher selten. In der zweiten Schwangerschaft war es so schlimm, dass ich nicht mehr wusste, was ich essen kann, außer Obst und Gemüse. Habe da auch nur das Mindestgewicht zugenommen, was nötig war, und nach der Geburt war mein Körpergewicht 5 kg weniger als vor der Schwangerschaft. Seit dieser Zeit war ich bis jetzt nie mehr richtig beschwerdefrei. Mein Mann drängte mich, zu Ärzten zu gehen.

Nach der erfolglosen Ernährungstherapie wollte ich bestätigen lassen, dass es wirklich Meulengracht ist oder vielleicht doch etwas Schwereres vorliegt.

Irgendwie hat es mich nun erleichtert, dass sich der M.M. bestätigt hat. Leider wird M.M. nicht wirklich als Erkrankung/Einschränkung im Leben gesehen. Ich war am Kämpfen und am Mithalten, was ich in dem Zustand einfach nicht kann.

Akzeptieren, Loslassen, darum geht es vor allem.

Und auf den eigenen Körper zu achten.

Anja Bürgin
November 2022

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