1. Februar

Hepatitis C, Tumor und Lebertransplantation

Im September 2003, bei einer Routinekontrolle durch den Frauenarzt, wurden in meinem Blut Tumormarker festgestellt. Eine genauere Abklärung ergab, dass ich eine starke Leberzirrhose CHILD B, Aszites, Varizen in der Speiseröhre und einen Tumor von 2,3 cm im 3. Segment der Leber habe. Für mich war diese Diagnose ein Schock und mein erster Gedanke war: „Nun hast du noch ein halbes Jahr zu leben.” Im Januar 2000, damals 53-jährig, wurde bei mir bei einer Blutuntersuchung rein zufällig das Hepatitis-C-Virus entdeckt. Die Leberwerte waren leicht erhöht und der Hausarzt konnte nicht verstehen, dass ich von diesem Virus infiziert bin, denn ich fühlte mich rundum gesund.

Er riet mir, die Werte regelmäßig zu kontrollieren und zukünftig auch auf ein Gläschen in Ehren zu verzichten. Für mich war klar, dass mein Leben nicht mehr so unbeschwert weiter verlaufen würde wie bis anhin. Andererseits sagte ich mir, ich weiß, dass ich wachsam sein, aber mich nicht wegen dieser Diagnose krank fühlen muss. Ich fühlte mich gut, trieb Sport und freute mich am Unterrichten von Kindern, bis zu jenem 8. September 2003. Meine Gedanken drehten sich mehrere Tage um die Frage: Therapie mit allen Konsequenzen oder mich auf den Abschied vorbereiten?

Ich meldete mich beim Spezialisten, der mich besorgt an das Universitätsspital in Zürich weiterleitete. Erst wurden die Varizen, die zum Glück nur leicht bluteten, verödet.

Nach den ersten Untersuchungen bestätigte mir der Arzt, dass die Ansteckung mehr als 30 Jahre zurückliege.
Wahrscheinlich wurde ich bei einer Zahnbehandlung infiziert, nach der ich schwer erkrankte, aber die Infektion nicht erkannt werden konnte. Bereits bei der ersten Konsultation kam die Sprache auf eine baldige Transplantation, die als einzige Lösung weiterhelfen könnte. Die nächste Hürde war meine Blutgruppe: 0 neg. Die Wahrscheinlichkeit, ein Organ in nützlicher Zeit zur Verfügung zu haben, war sehr gering. Ich fragte nach der Möglichkeit einer Lebendspende. Damals in der Schweiz ein fast unlösbares Problem, da eine Finanzierung durch die Krankenkassen nach Versicherungsgesetz nicht möglich war.

Trotz diesem Hindernisses fragte ich meinen ältesten Sohn (32), der als Einziger in der Familie dieselbe Blutgruppe hat, ob er sich eine Spende vorstellen könnte. Um Zeit zu gewinnen, wurde eine Chemoembolisation zur Schrumpfung des Tumors vorgenommen.

Zwei Monate später konnte ich zur Abklärung meines Gesundheitszustandes für eine allfällige Transplantation in die Klinik. Ich erhielt positiven Bescheid. Da sich meine gesundheitlichen Probleme immer mehr verstärkten, wurde die Notwendigkeit einer baldigen Transplantation immer dringender.

Mein Sohn wollte mir nach genauer Information gerne spenden, nur die Bewilligung dazu wurde von einem politischen Entscheid abhängig. Die Briefe an die Ämter und die Geduld, die von uns gefordert wurde, kostete uns alle sehr viel Energie. Ohne die große Arbeit, die mein Ehemann und mein Sohn in dieser Zeit leisteten, wäre mir längst die Kraft versiegt.

Eine zweite Chemoembolisation wurde notwendig. Die Nebenwirkungen wurden viel stärker und raubten meine letzten Kräfte. Übelkeit, totaler Haarausfall und chronisches Fieber kamen zu den übrigen Beschwerden hinzu. Endlich kam die Bewilligung zur Transplantation mit einer Lebendspende und mein Sohn bekam nach den gründlichen Abklärungen als gesunder Spender ebenfalls das O.K. zur Operation. Inzwischen hatte sich mein Gesundheitszustand sehr verschlechtert. Es ging um Tage. Der Operationstermin wurde auf Freitag, den 13. August 2004 festgelegt.

Es wurde für uns ein Glückstag.

Eine Woche nach der Operation konnte unser Sohn die Klinik verlassen und fühlte sich trotz des großen Eingriffes schon sehr bald wieder gesund. Ich selber benötigte vier Wochen Klinik und einen anschließenden Kuraufenthalt von zwei Wochen, um mich langsam zu erholen. Als mich der Chirurg über den Operationsverlauf informierte, teilte er mir mit, dass ich vielleicht noch vier Wochen gelebt hätte.

Für mich begann ein neu geschenktes Leben. Ich erholte mich gut, hatte aber nach einem halben Jahr und im Sommer 2005 nochmals eine Abstoßreaktion. Die unvermeidlichen Cortisontherapien waren Nahrung für das HCV, das nun auch das neue Organ bedrohte.

Somit musste ich so schnell wie möglich die Therapie gegen das Virus einleiten.

Im September wurde ich durch den zuständigen Arzt auf die bevorstehenden Monate vorbereitet. Als Transplantierte eine doppelte Herausforderung. Die ersten Wochen vergingen recht gut, ich verspürte wohl die Blutarmut, die sich bemerkbar machte und auch die Neutrophilen sanken bedenklich. Mit kleinen Korrekturen an der Dosis von Interferon und Ribavirin schien ich über die Runde zu kommen. Nach zwei Monaten setzten Durchfälle und chronisch erhöhte Temperatur ein. Ich benötigte erneut einen Spitalaufenthalt.

Meine Energie stand auf Sparflamme. Wieder zu Hause, setzte ich die Therapie fort. Um die Blutarmut zu stoppen, erhielt ich hohe Dosen Recormon, was auch meinen Kreislauf positiv unterstützte. Der Durchfall blieb während der ganzen Therapiedauer und es kamen noch laufend neue Probleme dazu. Ich war die ganze Zeit auf Hilfe angewiesen und magerte trotz großer Essportionen rasch ab. Ein Gewichtsverlust von 16 % setzt beieinem BMI von 20 sehr zu. Die Blutkontrollen von Dezember und Februar ergaben virenfreies Blut und machen mir gute Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Die Therapie ist überstanden, aber das Bangen hatte noch kein Ende, da plötzlich die Leberwerte enorm in die Höhe schnellten. Ich erbat mir eine Beobachtungszeit, um nicht gleich wieder eine Cortison-Therapie zu erhalten. Der Arzt willigte ein und vier Wochen nach Therapieende nähern sich die Leberwerte langsam dem Normalbereich.
Langsam melden sich die Lebensgeister zurück und es erwacht in mir eine enorme Lebensfreude. Mein Horizont weitet sich wieder über Bett, Spital und das nur Dasein hinaus.

In meinen Gedanken wird es wieder bunt und ich freue mich auf eine bessere Zeit.

Mein Weg in den letzten drei Jahren war steinig und beschwerlich, aber nie hoffnungslos. Es gelang nur dank der Unterstützung meiner Angehörigen und Freunde und vor allem der optimalen Betreuung am Universitätsspital Zürich, aus dieser zu Beginn recht aussichtslosen Lage, nun voll Zuversicht und Freude in die Zukunft zu schauen.
Margrit Huber, Frühjahr 2006
Nachtrag im Dezember 2009:

Es sind seit der Therapie gegen die Hepatitis C mehr als drei Jahre verstrichen. In dieser Zeit hatte ich keinen Rückfall, das heißt, weder das Virus meldete sich zurück noch hatte ich eine weitere Organ-Abstoßungs-Reaktion. Mit einer niedrigen Dosis Immunsuppressiva, 3 mg pro Tag komme ich gut über die Runde und habe glücklicherweise wenig Nebenwirkungen. Mein Gesundheitszustand hat sich in diesen drei Jahren kontinuierlich weiter verbessert. Ich kann mit Freude anstrengende Bergtouren unternehmen, ermüde nicht mehr so schnell und auch meine Konzentrationsfähigkeit hat sich wieder verbessert, so dass ich den Alltag sehr gut meistern kann.

Meine Lebensfreude ist ungebrochen und ich möchte allen Lesern in ähnlichen Situationen Mut machen, jede zur Verfügung stehende Möglichkeit zu nutzen und mit Vertrauen und Zuversicht Therapien und Operation entgegenzusehen.

Margrit Huber
huberit@gmail.com

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