17. Januar

Hepatitis B, so lautete die Diagnose.

Mein Mann hatte eine heftige Grippe und lag einige Tage krank im Bett. Der Hausarzt nahm Blut ab und stellte erhöhte Leberwerte fest. Die Diagnose aus dem Labor erreichte uns eine Woche später.

Wieso er? Mitte 40, Familienvater, keine Drogen, nicht homosexuell, fremdgegangen? Das weiß man ja auch beim eigenen Ehemann nie, ich halte es bis heute für unwahrscheinlich.

Als Ärztin war ich geimpft, unsere Tochter haben wir zeitnah impfen lassen; damals war die Hep-B-Immunisierung noch keine reguläre Impfung für Kinder.

Jahre später haben wir erfahren, dass der Sterilisator unserer Zahnärztin in der fraglichen Zeit kaputt war. Mein Mann hatte damals eine Zahnextraktion, die relativ blutig war.

Die akute Hepatitis verlief unproblematisch mit nur geringer Gelbsucht. Wir hätten sie ohne den Labortest vielleicht gar nicht wahrgenommen. Leider heilte sie aber nicht aus, sondern nahm wie bei 5 – 10% aller Erkrankungen einen chronischen Verlauf.

Die Erkrankung wurde nach 2001 mit Tenofovir Disoproxyl behandelt, das zu diesem Zeitpunkt zugelassen wurde. Dieses Medikament hemmt die Virusvermehrung. Darunter ließ sich die Hepatitis gut in Schach halten, ausgeheilt ist sie aber nie.

Unser Alltagsleben war völlig normal, die Erkrankung spürte mein Mann nicht. Leider hatte er eine Vorliebe für guten Rotwein, andere alkoholische Getränke nahm er nicht zu sich. Diese Vorliebe pflegte er jeden Abend und war für die Botschaft, Alkohol selten bis gar nicht zu trinken nicht erreichbar. Weder der Hausarzt, noch die Gastroenterologin, noch ich schafften dies. Und so fügte er seiner angeschlagenen Leber jeden Tag bis zu seinem Tod neues Gift hinzu.

Was er nicht bemerkte: Lebergewebe wurde durch die Entzündung und den Alkohol zunehmend durch Bindegewebe ersetzt. Dieser Umbau verursacht eine Versteifung des Lebergewebes und einen Hochdruck in den zuführenden Lebergefäßen, sogenannter portaler Hochdruck. Der Körper leitet dann aufgrund des erhöhten Widerstandes in der Leber Blut vermehrt um die Leber herum, z.B. über Gefäße um die Speiseröhre und den Bauchraum. Die Milz vergrößert sich und baut vermehrt Blutplättchen ab. All das tut nicht weh.

Über die Jahre entwickelte mein Mann verschlechterte Gerinnungswerte und eine erniedrigte Zahl an Blutplättchen. Die Folge waren häufiges Nasenbluten und lange Blutungen bei kleinen Wunden. An seinen Magengeschwüren, die er aufgrund einer Helicobacter-Infektion entwickelte hatte wäre er fast gestorben, da er daraus kontinuierlich langsam blutete. Der Hausarzt entdeckte jedoch die zunehmende Blutarmut rechtzeitig. Unter antibiotischer Therapie und nach Erhalt von Blutkonserven war dieses Problem behoben, die Lebererkrankung schritt dagegen weiter fort.

Immer häufiger traten Blutungen auf, eine mäßige Gelbsucht wurde zum dauerhaften Begleiter. Mein Mann war jetzt öfter müde und brauchte Pausen. Trotz normalem Essen nahm er an Gewicht ab, worauf er stolz war. Doch dies war kein Zeichen von Disziplin, sondern der fortschreitenden Lebererkrankung. Gott sei Dank blieb er geistig bis zum Schluss fit, was nicht bei allen Patienten so ist.

Eines Nachts stürzte mein Mann beim Gang auf die Toilette und zog sich eine Oberschenkelschaftfraktur zu. Vor der anstehenden OP brauchte er ein Plättchenkonzentrat, sonst hätte es zu stark geblutet. Obwohl die OP gut verlief und er schnell nach Hause konnte, brachte dieses Ereignis seine Leber völlig aus dem Tritt. Ab da beschleunigte sich der körperliche Abbau.

Im Laufe eines dreiviertel Jahres nahmen Müdigkeit und Abgeschlagenheit zu, die Nierenfunktion verschlechterte sich, Wasseransammlungen in den Beinen und im Bauchraum wurden aufgrund des Blutstaus vor der steifen Leber mehr und mehr. Zum Schluss hatte er offene Beine und konnte aufgrund des vielen Bauchwassers nicht mehr schlafen. Er muss in die Klinik, um das Bauchwasser abpunktieren zu lassen.

Leider wurde bei dieser Punktion eine Arterie aus einem Umgehungskreislauf angestochen, es kam zur Einblutung in die Bauchhöhle. Zwar gelang es noch, die Blutung zu stoppen, aber er starb wenige Tage später im Leber- und Nierenversagen sowie an einer erneuten Blutung im Bauchraum.

Er ahnte, dass das Ganze nicht gut ausgehen würde und hatte mir noch kurz vor dem Eingriff gesagt: „wenn mir etwas passiert, so sollst Du wissen, ich habe mein Leben gehabt.“

Das war natürlich kein Trost, da ich mein Leben mit ihm keineswegs gehabt hatte.

Auch jetzt, fast vier Jahre nach seinem Tod ist das Ganze schwer zu ertragen, da es so unnötig war. Das Alltagsleben geht zwar weiter, aber in Situationen, die wir zu zweit immer genossen haben, kommen mir immer die Gedanken: „wie schön wäre es jetzt zu zweit.“

Meine Botschaft an Alle, die eine Lebererkrankung haben, egal welcher Art: meidet Alkohol oder reduziert ihn auf wenige besondere Ereignisse. Ihr schont Eure Leber und gewinnt dadurch einige Lebensjahre für Euch, aber auch für Euren Partner und Eure Familie.

Esther

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