PBC: Europäische Arzneimittelagentur empfiehlt, die Zulassung von Obeticholsäure zu widerrufen
Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat am 28. Juni 2024 empfohlen, die bedingte Zulassung des PBC-Medikamentes Obeticholsäure (Ocaliva) zu widerrufen.
Obeticholsäure ist seit 2016 als Zweittherapie für PBC verfügbar, wenn die Standardtherapie mit Ursodeoxycholsäure nicht genug wirkt oder nicht vertragen wird. Obeticholsäure kommt dann entweder als zweites Medikament hinzu oder wird anstelle von Ursodeoxycholsäure eingesetzt. Die Zulassung von Obeticholsäure erfolgte 2016 auf Basis von verbesserten Laborwerten (alkalische Phosphatase und Bilirubin) als sogenannte „bedingte Zulassung“: Voraussetzung einer solchen bedingten Zulassung ist, dass die Wirksamkeit und Sicherheit des Medikamentes weiter in Studien und in der Praxis überprüft wird. In einer kontrollierten Phase-IV-Studie (COBALT) wurde der Verlauf von PBC-Patienten entsprechend über mehrere Jahre beobachtet und mit einer Placebo-Gruppe verglichen.
Verschiedene Untersuchungen im Praxis- und Klinikalltag ergaben in den letzten Jahren Hinweise, dass verbesserte Laborwerte unter Obeticholsäure (wie auch unter anderen PBC-Medikamenten) oft mit einem milderen Verlauf der PBC-Erkrankung einhergehen und das Überleben ohne Transplantation verbessern können.
Leider konnten solche Vorteile jedoch in der placebokontrollierten COBALT-Studie nicht eindeutig gezeigt werden. Zudem wurden laut EMA unter Obeticholsäure Risiken und Nebenwirkungen festgestellt. Dies veranlasste die EMA ab Herbst 2023, das Risiko-Nutzen-Profil von Obeticholsäure erneut kritisch zu prüfen.
Der EMA-interne Ausschuss für Humane Arzneimittel (CMPH) sprach schließlich am 28. Juni 2024 die Empfehlung aus, die bedingte Zulassung zu widerrufen: Die EMA stufe das Risiko-Nutzen-Verhältnis des Medikamentes nun nicht mehr als positiv ein. Wie die Agentur mitteilte, wurde in die Entscheidung sowohl die COBALT-Studie einbezogen als auch „andere verfügbare Daten geprüft, darunter Daten aus der Praxis und aus unterstützenden Studien, die von dem Unternehmen, das Ocaliva vermarktet, vorgelegt wurden, sowie Informationen, die von medizinischen Fachkreisen und Patientenverbänden eingereicht wurden. Darüber hinaus hat der CHMP das Feedback einer Gruppe von Experten für Lebererkrankungen berücksichtigt“. Aus Sicht der EMA reichten die ergänzenden Daten aus Studien und dem Praxisalltag nicht aus, um den Nutzen des Arzneimittels zu bestätigen und die negativen Ergebnisse der COBALT-Studie auszugleichen.
Für PBC-Patientinnen und Patienten, bei denen Ursodeoxycholsäure versagt hat, stehen derzeit neben Obeticholsäure nur Fibrate (insbesondere Bezafibrat) als weitere Kombinationsbehandlung zur Verfügung; Fibrate sind nicht offiziell für die PBC-Behandlung zugelassen, daher sind diese eine sogenannte „Off-label“-Therapie. Risiken und Nebenwirkungen sind auch bei Fibraten möglich. In den kommenden Monaten könnten mit Elafibranor bzw. Seladelpar zwei weitere PBC-Medikamente zugelassen werden, welche bei Versagen bzw. Unverträglichkeit von Ursodeoxycholsäure jeweils als Zweittherapie in Frage kommen.
Die EMA-Empfehlung wird nun von der Europäischen Kommission geprüft, welche über die EU-Zulassung von Medikamenten entscheidet. Obeticholsäure ist bis zur Entscheidung der Europäischen Kommission weiter zugelassen. „Sobald diese Empfehlung von der Europäischen Kommission bestätigt wird, wird Ocaliva in der EU nicht mehr zugelassen sein“, erklärte die EMA. „Das Unternehmen kann das Medikament jedoch weiterhin im Rahmen von „Compassionate Use“ oder „Named-Patient“-Programmen an bestehende Patienten abgeben.“ Die EMA kündigte an, in Kürze auch Ärztinnen und Ärzte schriftlich über weitere Vorgehensmöglichkeiten zu informieren, falls diese aktuell Patienten mit Obeticholsäure behandeln und die Zulassung widerrufen wird.
Falls Sie von PBC betroffen sind und aktuell Obeticholsäure einnehmen, gilt wie bei allen Medikamenten: Halten Sie bitte individuell Rücksprache mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt, bevor Sie etwas an Ihrer Therapie ändern.
Deutsche Leberhilfe e.V.
Quelle: EMA recommends revoking conditional marketing authorisation for Ocaliva. 28. Juni 2024. https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-revoking-conditional-marketing-authorisation-ocaliva. Zuletzt abgerufen am 28. Juni 2024.
Update am 24. Juli 2024: Internationale Patientenorganisationen einschließlich der Deutschen Leberhilfe e.V. haben offene Briefe an die Europäische Kommission gesendet und sich für den Erhalt der Zulassung von Obeticholsäure in der EU ausgesprochen. Weitere Informationen finden Sie hier.